Offen über Hochsensibilität reden
Vor ein paar Monaten kam eine Kollegin zu mir und erzählte mir von einer Person, die angab hochsensibel zu sein. Nachdem sie wusste, dass ich hochsensibel bin, da ich in ihrer Gegenwart offen darüber gesprochen hatte, bat sie mich, mehr darüber zu erzählen, da das Thema immer noch weitgehend unbekannt für sie war. Etwas später stellte sich heraus, dass es sich um ihre Tochter handelte, die einen Burnout erlitten hatte. Meine Kollegin war sehr dankbar über die Informationen, die sie von mir erhielt und kam immer wieder zu mir, um mir vom Zustand ihrer Tochter zu berichten und ich freute mich, dass ihr meine Informationen offensichtlich weiterhalfen.
Eine andere Kollegin erzählte von einem Mädchen in der Schule, dass lärmempfindlich ist. Sie fühlte sich nach der Schule immer sehr energielos und hatte Probleme im Alltag, so wie alle anderen, zu funktionieren. Sie bekam eine Diagnose von der ich noch nie gehört hatte. Mir kam zu allererst der Gedanke, nachdem was sie schilderte, dass das Mädchen hochsensibel sein könnte. Daraufhin stimmte die Kollegin mir zu.
Es scheint mir, dass das Suchen nach einem Krankheitsbild, weil abnormal, so vordergründig steht, damit das Problem beseitigt werden kann (oft medikamentös). Es wird sich nicht die Zeit genommen den Menschen dahinter zu sehen. Wir Hochsensiblen sollen einfach in das System passen. Dass, was uns Menschen aber ausmacht, ist Unterschiedlichkeit. Wieso also darf ein sensibler Mensch, der mit dem Umfeld, in dem wir aufwachsen, hadert, nicht genauso existieren, wie ein normal Sensibler? Reagieren wir Hochsensiblen wirklich zu empfindsam auf unsere Umwelt oder sind die restlichen 70-80% der Bevölkerung einfach zu unsensibel, um unsere Bedürfnisse zu erkennen? Wenn ich mir die Welt so ansehe, kann ein wenig mehr Hochsensibilität wirklich nicht schaden! Aber, das ist ein anderes Thema.
Mich verblüfft es, wie unbekannt Hochsensiblität in Schulen und am Arbeitsplatz immer noch ist und wie wenig darauf eingegangen wird. Als ich meiner Chefin von meiner Hochsensibilität erzählte, weil ich mich bei einem Gespräch sehr von einem Hintergrundgeräusch gestört fühlte, reagierte sie verblüfft aber sehr verständnisvoll. Auch für sie war der Begriff bis Dato unbekannt gewesen.
Da aber 20-30% der Bevölkerung von Hochsensibilität betroffen sind, finde ich es wirklich wichtig, dass dieser Begriff in der Öffentlichkeit mehr thematisiert wird. Angefangen bei den Schulen, denn je früher aufgeklärt wird, desto besser. Als erstes für die Kinder, damit sie verstehen, dass sie nicht falsch sind, weil sie anders sind und nicht medikamentös behandelt werden müssen, wenn auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird. Zweitens für die Lehrer, damit sie ein Milieu für die Kinder schaffen können, das ihnen besser entspricht. Solange die Menschen aber nach einem Quick-Fix suchen und ein Problem einfach nur beseitigt haben wollen, ohne es aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, wird sich nichts ändern.
Also werde ich weiter offen über Hochsensibilität sprechen. Vielleicht auch in der Öffentlichkeit in Form von Vorträgen. Das wäre eine neue Herausforderung für mich als introvertierte Person. Die Idee ist schon vor einer Weile bei mir entstanden. Ich gebe ihr Zeit sich zu entwickeln.