Wahrnehmung Hochsensibilität: positiv oder negativ?

Ich habe oft gehört oder gelesen, dass Hochsensibilität von vielen als Belastung empfunden wird. In dem Fall wird es also eher negativ gewertet. Wie ich meine Hochsensibilität wahrnehme, hängt davon ab, wie ich mich fühle und wie ich mich fühle hängt auch viel davon ab, in welchem Umfeld ich mich befinde.

In der Vergangenheit, also v.a. meiner Kindheit, wurde meine Sensibilität oft negativ gewertet. Ich hatte das Gefühl, sie wurde von vielen als störend empfunden. Etwas, was ich loswerden musste. Meine Sensibilität wurde selten wertgeschätzt, sondern eher kritisiert. Ich wuchs also in dem Glauben auf, dass ich nicht okay bin, so wie ich bin. Was das mit einem macht ist mir mittlerweile klar. Dass sich das negativ auf mein Wesen und auf den Umgang mit mir selbst und meinen Mitmenschen auswirkte, ist nicht so erstaunlich.

Erst, als ich in ein anderes Umfeld kam und da mit einem Mal Raum war für meine Hochsensibilität, ich wahrgenommen wurde und wertgeschätzt wurde für das, was ich bin, da veränderte sich etwas in mir. Zunächst war ich innerlich verwirrt und rebellierte. Zwar war ich schon immer der rebellische Typ, aber das wurde als etwas Negatives gesehen. Also, ich fiel negativ auf, weil ich meinem Missmut Luft machte. Entweder, weil ich mich unfair behandelt fühlte oder mir etwas nicht passte. Dass dahinter ein verletztes Wesen stand, das Aufmerksamkeit und Verständnis von seinem Umfeld suchte, sahen die meisten nicht. Als ich dann auf einmal wahrgenommen wurde und mir zugehört wurde, begann eine innere Rebellion gegen mein Selbstbild, das ich über Jahre erworben hatte. Ich versuchte dieses Bild wieder loszuwerden und meinem wahren Ich Glauben zu schenken. Doch das war nach jahrelanger Gehirnwäsche gar nicht so einfach. Heute kann ich ganz offen über meine Hochsensibilität reden aber ich binde es natürlich nicht gleich jedem unter die Nase. Ich habe zwar ein ganz anderes Verständnis zu meiner Hochsensibilität heute und kann mich annehmen, so wie ich bin aber es gibt natürlich tägliche Herausforderungen, die damit nicht verschwinden. Was ich gelernt habe ist, mich zurückzuziehen und regelmäßige Auszeiten nur für mich zu haben. Das ist sehr wichtig, damit ich mich nicht überreizt fühle und ausgeglichen bleibe.

Ich glaube, Hochsensibilität wäre in unserer heutigen Gesellschaft gar nicht so ein großes Thema, wenn wir in einem sensibleren Umfeld aufwachsen würden. Man muss nicht selbst hochsensibel sein, um Verständnis und Mitgefühl zeigen zu können. Alles hängt davon ab, in welchem Umfeld und mit welchen Wertvorstellungen wir aufwachsen. Wird mir suggeriert, dass es nicht normal ist, wenn ich mir etwas zu Herzen nehme, kann ich es auch nicht annehmen und muss es ablehnen. Damit lehne ich mich dann auch selbst ab und schon bin ich gefangen in einem selbstzerstörerischen Muster.

Ich wünschte, mehr Leute würden verstehen, dass das Menschenbild, das wir von anderen bekommen, durch Werte und Normen geformt wird und der Mensch an sich nicht falsch ist. Es ist nur das Bild, das mit der Zeit entstanden ist, das verzerrt ist aber mit dem wir gelernt haben uns zu identifizieren. Mit anderen Worten: Wir glauben jemand zu sein, der wir gar nicht sind! Wir sind nicht besser oder schlechter, weil wir hochsensibel sind.

Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Eine Eigenschaft wie Hochsensibilität kann in einem Umfeld als günstig und positiv gewertet werden und in einem anderen als störend und negativ. Alles liegt also im Auge des Betrachters. Je nachdem, in welchem Umfeld wir leben und welchen Umgang wir damit lernen, werten wir es als angenehm oder unangenehm und abhängig davon empfinden wir es als Fluch oder Segen. 

Wie nimmst du das allgemeine Verständnis in Bezug auf Hochsensibilität wahr? Wird deine Sensibilität in dem Umfeld in dem du lebst eher positiv oder negativ gewertet? Wie nimmst du deine Hochsensibilität selbst wahr? Abhängig davon, unter welchen Umständen wir leben und aufwachsen, kann diese Wahrnehmung sehr unterschiedlich ausfallen.

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